Was macht die Pädagogik von Maria Montessori so besonders?

"Hilf mir, es selbst zu tun. Zeig mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es allein tun. Hab Geduld, meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger. Vielleicht brauche ich mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Mute mir auch Fehler zu, denn aus ihnen kann ich lernen."

IzEL – Informationen zum Entwicklungs-und Lernprozess

Das Kind leistet etwas, indem es arbeitet. Aus dieser Grundaussage leitet sich unser Verständnis von Leistung ab: Leistung kommt aus dem Kind, ist dynamisch, dient der Persönlichkeitsentfaltung und ist kein Auslesekriterium.

Es ist selbstverständlich, dass Kinder in der Schule arbeiten und etwas leisten. Aber Leistung ist kein absoluter Begriff: Jedes Kind kommt mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule und startet folglich nicht bei Null, sondern von seinem eigenen Leistungsstand aus. In unserer Schule soll jedes einzelne Kind seine größtmögliche Leistungsfähigkeit entfalten können. Ein einheitlicher, normierter Leistungsstand wird dabei nicht herauskommen. Die erbrachte Leistung wird nicht an anderen Kindern oder einer, wie auch immer gearteten und eher willkürlich festgesetzten, Klassennorm gemessen, sondern in erster Linie am Kind selbst. Bewertet wird die persönliche Anstrengung und der individuelle Lernfortschritt.

Diesen individuellen Leistungsbegriff anzuerkennen erfordert sehr viel von den Eltern, den LehrerInnen und auch von den Kindern selbst.

Der Lern- und Entwicklungsprozess des einzelnen Schülers wird in unserer Schule folgendermaßen dokumentiert:

  • In einem kategorisierten System „IzEL“ (Informationen zum Entwicklungs-und Lernprozess) werden fortlaufend Beobachtungen zur Arbeitsweise, zum Sozialverhalten und zum Fortschreiten im Lernstoff aller Fachbereiche festgehalten.
  • In einer Selbsteinschätzung denken unsere Schüler über ihr Leben und Lernen an der Schule nach und halten ihre wichtigsten Gedanken schriftlich fest. Auch intensive Gespräche zwischen Pädagogen, Schülern und auch Eltern ermöglichen Selbstreflexion des Lernenden, geben Anstoß für notwendige Veränderungen und eröffnen neue Ziele.
  • Zum Halbjahr bekommen die Schüler der Grund- und Mittelstufe in Form eines persönlichen Briefes eine Einschätzung ihrer Arbeit. Zum Jahresende erhält der Schüler die Dokumentation seiner Arbeit und seiner Entwicklungsprozesse (IzEL). Diese Aufzeichnungen werden fortlaufend für alle Schul­jahre erweitert und in einer Mappe gesammelt.

Die Schüler der Oberstufe erhalten zum Halbjahr und zum Schuljahresende ihren IzEL.

Die Große Arbeit

Die ,,Große Arbeit“ ist ein wichtiger Bestandteil unserer Montessori-Pädagogik und stellt für alle Schülerinnen und Schüler unserer Schule einen Höhepunkt in ihrer Schullaufbahn dar.

Am Ende der 8. Klasse legen die Schülerinnen und Schüler als besonderen Abschluss die „Große Arbeit nach Maria Montessori“ ab und erhalten ein schulinternes Montessori-Diplom. Mit diesem „Diplom“ dokumentiert unsere Schule ihnen, dass sie selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten können und in der Lage sind, ein umfangreiches Thema zu erfassen und strukturiert zu bearbeiten.

Diese dreiteilige „Große Arbeit“ beinhaltet ein Werkstück, eine theoretische schriftliche Ausarbeitung und die Präsentation der Arbeit vor Eltern, Lehrern und Gästen. Die Schülerinnen und Schüler suchen sich selbstständig ein Thema aus und bewältigen dieses individuell über den Zeitraum von mehreren Monaten. Jede Arbeit hat ihren Wert für sich, Unterschiede und Vielfalt in der Bewerkstelligung sind ausdrücklich gewünscht. Die Themen sind so vielfältig wie die Jugendlichen selbst: So wurden schon Fachbücher zu verschiedensten Themenbereichen wie z.B. „Die Verschmutzung der Ozeane“ angefertigt, ein Quadrocopter gebaut, afrikanische Townships im Modell dargestellt, Fahrzeuge restauriert und vieles mehr.

In der Vorbereitung werden die Schülerinnen und Schüler von Mentoren aus Handwerk, Wirtschaft, Elternschaft oder Schule betreut. Es wird bei der ,,Großen Arbeit“ das Lernen nach der Erfahrungsschule des sozialen Lebens des Erdkinderplans praktiziert. Die Persönlichkeitsentwicklung wird gestärkt, da kein Lernen in linearen Lehrgängen stattfindet, sondern mit „Kopf, Herz und Hand“ gelernt wird. Es steht darüber hinaus, das Prinzip der Selbsttätigkeit im Mittelpunkt des Lernvorgangs, ganz nach dem Grundsatz „Hilf mir es selbst zu tun“. Durch die Auseinandersetzung mit der Außenwelt werden sich die Schülerinnen und Schüler ihrer Stellung und Wirkung in der Kultur/ Kosmos bewusst und das Prinzip der kosmischen Erziehung wird umgesetzt.

Mit der „Großen Arbeit“ zeigen sie durch ein komplexes Lernen ihre bisher erlernten Kompetenzen und Erfahrungen und dass sie die Grundsätze der Montessori-Pädagogik zeitgemäß erlernt und verstanden haben. Die Jugendlichen unserer Schule sind nach der ,,Großen Arbeit“ über sich hinausgewachsen und ein bisschen „größer“ geworden.

Erdkinderplan

Maria Montessori analysierte die Bedürfnisse und die sensiblen Phasen der Kinder und Jugendlichen und entwickelte daraus das Konzept des „Erdkinderplans“, das sie auch als „Erfahrungsschule des sozialen Lebens“ bezeichnete. Sie wollte in ihrem Erdkinderplan für die Jugendzeit nicht einfach das Konzept der Grundschule fortführen, sondern plädierte für eine Entschulung des Lernens.

Dabei ging es ihr darum, den Jugendlichen Räume zu öffnen, damit sie praktisch tätig werden, eigene Lebenserfahrungen machen und die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und mit Erwachsenen in realen Lebenszusammenhängen erfahren können.

Die besten Methoden sind diejenigen, die beim Schüler ein Maximum an Interesse hervorrufen und die dem Schüler einen Wechsel zwischen Studien und dem praktischen Leben erlauben (Zitat Maria Montessori).

Das heißt, dass wir uns an unserer Schule, besonders in der Oberstufe dafür einsetzen, dass bei Jugendlichen in einer hochsensiblen Phase nicht nur das kognitive Lernen, sondern die Vermittlung der Realität des Lebens auf der Basis sozialer Grunderfahrungen ermöglicht wird.

Wir sehen heute, dass praktische Anforderungen und körperliche Anstrengungen die Umwälzprozesse der Pubertät für Jugendliche erleichtern und dass die Bedürfnisse nach echter Verantwortung und Herausforderungen zu bestehen gelebt werden müssen.

Jugendliche sollen für ihre Arbeit Bestätigung und Anerkennung erhalten, dies ist besonders gut möglich, wenn Jugendliche praktisch in Eigenverantwortung etwas herstellen und etwas Sichtbares erschaffen. Wir stehen vor der Herausforderung, die Gedanken Maria Montessoris zum Jugendalter zeitgemäß aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Dabei richten wir uns ganz nach dem neuen LehrplanPlus der bayerischen Mittelschulen bei dem die Projektarbeit einen eigenen Lernbereich in allen Jahrgangsstufen darstellt und fächerübergreifenden Bildungszielen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird.

Den Erdkinderplan praktizieren wir im Schulalltag der 7. und 8. Jahrgangsstufe. Dazu haben die Jugendlichen bei uns die Möglichkeit, sich in verschiedenen entsprechenden Tätigkeiten einzubringen. Sie engagieren sich z.B. im Catering von Schulevents, betreiben nach dem Umbau eines Bauwagens ein Schüler-Café, gestalten Pausensnacks, bewirtschaften einen Schulgarten und engagieren sich in Praktika bei Unternehmen.
Im Sinne Maria Montessoris: „Hilf mir, es selbst zu tun.“

Für was steht Inklusion und wie wir es leben!

Inklusion steht für das Recht aller jungen Lernenden zusammen und voneinander zu lernen in einer Schule für alle, unabhängig von ihrer ethischen, kulturellen oder sozialen Herkunft, geichgültig mit welchen Problemen oder Besonderheiten sie in dieser Welt leben. Deshalb muss Bildung inklusiv sein. Die Kinder sollten in der Schule in heterogenen Lerngruppen lernen, angepasst an die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse und Begabungen. Sie lernen in inklusiven Schulen. Inklusion bedeutet nicht mehr den Lernenden als ein Problem zu sehen, sondern das Bildungssystem kritisch ins Blickfeld zu nehmen.

Deklaration Montessori europe congress 2009, zu finden in: „Montessori-Pädagogik und Inklusion“, Erfurt.

Wir bieten folgende Angebote in unserer Schule als interne Unterstützungsmaßnahme für unsere Schülerinnen und Schüler an.

Marburger Konzentrationstraining (MKT)

Das Marburger Konzentrationstraining unterstützt Kinder, deren Lernstrategien nicht zum Erfolg führen. Leicht ablenkbare  aber auch unsichere  Kinder profitieren von diesem Training.  

Im MKT erlernen die Kinder eine planvolle und strukturierte Arbeitsweise,  die ein erfolgreiches  Bearbeiten von Aufgaben ermöglicht. Der schrittweise aufgebaute reflexive Arbeitsstil reduziert einerseits impulsives Handeln und fördert und unterstützt andererseits zügiges, zeitlich angemessenes Vorangehen. Sowohl durch die erlebten Erfolge als auch durch positive Verstärkung entsteht die Motivation, den neu erlernten Arbeitsstil vermehrt einzusetzen.
Die Methode des Inneren Sprechens ist ein zentraler Bestandteil des MKT. Sie unterstützt die Selbstwahrnehmung und Selbstregulierung des Kindes. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Aufmerksamkeit der Kinder immer auf ihr positives und förderliches Arbeits- und Sozialverhalten gelenkt wird.

Die Trainingsstunden sind klar strukturiert und abwechslungsreich gestaltet. Bewegungs- und Aktivierungsübungen wechseln sich ab mit Entspannungseinheiten, Wahrnehmungstrainings, Arbeitsblättern und Übungen, sowie Denk-, Merk-, und Geschicklichkeitsspielen.

Wichtig ist, dass die Kinder Spaß am Training haben und zufrieden und gestärkt aus der Stunde  gehen.

Das Training findet während der Freiarbeitszeit am Vormittag in Kleingruppen statt.
Die Arbeit in der Gruppe macht den Kindern Spaß und  unterstützt zusätzlich das soziale Lernen.

Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist wesentlicher Bestandteil des MKT. An Elternabenden und bei Gesprächen haben die Eltern  Gelegenheit zum Austausch und erfahren Neues über die Inhalte und Ziele des Trainings.  So kann eine gemeinsame,  für  die Entwicklung des Kindes förderliche, Basis entstehen.

Das MKT wird an unserer Schule als interne Unterstützungsmaßnahme für unsere Schülerinnen und Schüler angeboten.

Beratungslehrer: Frau Monika Kühnel-Schwarz

Die Arbeit am Tonfeld® an der Montessori-Schule

Die Arbeit am Tonfeld hat in den vergangenen Jahren etwa 250 Kinder aus allen Klassenstufen auf ihrem Weg begleitet und in ihrer Entwicklung unterstützt, sowie Hilfestellung in schwierigen Situationen gegeben. Unterschiedlichste Probleme bewältigt, versucht neue Wege zu gehen und eventuelle seelische Verletzungen zu verarbeiten, damit der Kopf sich wieder auf das Lernen einlassen kann. Mittlerweile hat die Arbeit am Tonfeld einen festen Platz in der Mittagsvilla in unserem Therapieraum. In dieser ruhigen, geschützten Atmosphäre fühlen sich die Schüler sehr wohl.

Die Eingliederung dieser besonderen Förderung in den Schulalltag erleben wir als sehr sinnvoll. Es ist eine schnelle Hilfe möglich, ohne lange Wartezeiten, evtl. Extratermine am Nachmittag entfallen. Darüber hinaus ist so eine konstruktive Zusammenarbeit mit unserem engagierten Lehrerteam möglich.

Die Arbeit am Tonfeld® wurde vor etwa 45 Jahren von Prof. Heinz Deuser entwickelt. Sie basiert auf der Tiefenpsychologie von C.G. Jung und Erich Neumann und findet Anlehnung an die „Gestaltkreislehre“ V. von Weizsäckers und den Arbeiten F. Sanders und J. Krügers aus dem Bereich der Wahrnehmungs- und Gestaltpsychologie.

Und so sieht das aus: ein flacher Holzkasten, ausgestrichen mit weicher Tonerde, eine Schale Wasser und ein Begleiter, der das Kind sieht, ermutigt, ihm zugewandt ist, Beziehung vermittelt, die Bewegungen vorausschauend aufnimmt, neue Möglichkeiten anspricht und Positives unterstützt – „die Sprache der Hände versteht“. Oft können gerade Kinder und Jugendliche schwer mit Worten ausdrücken, was sie eventuell bedrückt.

Im Vordergrund steht der Umgang und die Art und Weise, wie Beziehung zum Material aufgenommen wird, nicht das, was entsteht, wie zum Beispiel beim Töpfern. Und doch bekommt das, was mich gerade bewegt, eine Gestalt – Bewegung wird Gestalt. Dies kann ganz unterschiedlich sein: vielleicht entsteht eine verbindende Brücke, ein dicker Baum, der die eigene Position zeigt, ein „Krafttier“, ein kleines Wesen, das geschützt werden muss, ein Leben spendender Brunnen oder eine Wasseranlage, bei der der Fluss des Wassers selbst bestimmt werden kann. Die Erfahrung „ich bin es selbst, der all dies zu tun vermag“ ist bei den Kindern tief, weil sie über die Sinne – besonders die Haptik – ganzheitlich vollzogen wird. So vermag dieses Erleben, das haben Erfahrungen gezeigt, bis in das alltägliche Leben hinein zu wirken.

Es ist bei dieser Arbeit möglich, Einblicke in die Lebensbedingungen und möglichen Blockaden der Kinder und Jugendlichen zu bekommen. Es geht aber nicht darum, die biographischen Bedingungen zu erforschen, sondern die biographischen Bedingungen als Ausgangspunkt für neue Möglichkeiten des persönlichen Wachstums zu sehen. So können unter anderem Entwicklungsrückstände, Verhaltensauffälligkeiten, traumatische Erlebnisse, Lebenskrisen, Stärkung des Selbstvertrauens Indikationen für die Arbeit am Tonfeld sein.

Die Schüler genießen diese Einzelstunden sehr. Es ist nicht ein Müssen, sondern ein Dürfen, zum Tonfeld zu kommen. Nicht selten gibt es heftige Verhandlungen, länger bleiben zu können. Von anderen wird der Wunsch geäußert, auch mal dran zu kommen. Für jedes Kind, bei dem Interesse besteht, bietet sich eine kostenfreie, unverbindliche Schnupperstunde an. Erst nach einem Gespräch mit Eltern und Lehrern kann dann eine Staffel von Stunden stattfinden. Die Kosten hierfür tragen die Eltern.

Die Arbeit am Tonfeld wird an unserer Schule als interne Unterstützungsmaßnahme für unsere Schülerinnen und Schüler angeboten.

Jugendsozialarbeit an Schulen

Einzelfallarbeit:

  • Einzelgespräche mit Kindern und Jugendlichen
  • Elterngespräche
  • interne Einleitung und Vermittlung von Hilfen (z.B. Absprache zwischen Schülern, Eltern und Lehrern)
  • Externe Einleitung von Hilfen durch Fachdienste (z.B. Erziehungsberatung)
  • Zusammenarbeit und Austausch mit den Lehrern und päd. Assistenten

Gruppenarbeit:

  • Gruppengespräche bezüglich sozialer Kompetenzen und Konfliktbewältigung
  • Berufliche Maßnahmen:
  • Begleitung bei der ersten Berufsorientierung (Praktika)
  • Kontakte zu Praktikumsstellen herstellen
  • Kooperation mit Firmen
  • Bewerbung- und Präsentationstraining

 
Ziele der Jugendsozialarbeit sind:
Unsere Kinder und Jugendliche in ihrer schulischen, beruflichen und sozialen Entwicklung zu begleiten und sie in besonderen Problemlagen zu unterstützen.

Jugendsozialarbeiterin:  Nadine L’Helguen-Claude

Maria Montessori

Der kindliche Entwicklungsprozess gliedert sich nach Montessori in drei Phasen: Erstes Kindheitsstadium (0 bis 6 Jahre), Zweites Kindheitsstadium (6 bis 12 Jahre) und Jugendalter (12 bis 18 Jahre), die jeweils einen deutlichen neuen Entwicklungsabschnitt darstellen. Die erste und dritte Phase werden jeweils weiter in dreijährige Unterphasen eingeteilt.

Die Phase des Ersten Kindheitsstadiums (0-6 Jahre) ist laut Montessori die wichtigste Zeit des Lebens, da sich in dieser Zeit die Persönlichkeit und Fähigkeiten des Kindes formen. Montessori versteht die ersten sechs Lebensjahre des Kindes als eine zweite embryonale Wachstumsphase, in der sich Geist und Psyche des Kindes entwickeln. Während ein Erwachsener bestimmte Umweltreize filtern kann, absorbiert ein Kind seine Umwelt; diese wird Teil der Persönlichkeit des Kindes.

Die zweite Phase (6-12 Jahre) bezeichnet sie als “Stabile Phase”.

Während seiner Entwicklung durchläuft das Kind sogenannte “sensible” oder “sensitive Perioden”. In solchen Phasen ist das Kind in besonderer Weise empfänglich für bestimmte Anreize aus der Umwelt, zum Beispiel im Zusammenhang mit Bewegung, Sprache oder sozialen Aspekten. Findet das Kind während einer sensiblen Phase eine Beschäftigung, die genau seine Bedürfnisse anspricht, ist das Kind zu einer tiefen Konzentration fähig, die als Polarisation der Aufmerksamkeit bezeichnet wird. In einer solchen Phase tiefer Konzentration lässt sich das Kind nicht von anderen Reizen ablenken – es durchläuft einen Erkenntnisprozess, der nicht nur sein Denken, sondern laut Montessori seine gesamte Persönlichkeitsentwicklung positiv beeinflusst. Montessori prägt für diesen Prozess den Begriff der “Normalisation”, d. h. dem Wiederherstellen der wahren positiven Möglichkeiten, über die das Kind von Natur aus verfügt, die aber bei einer unangemessenen Behandlung durch die Erwachsenen verbogen werden (“Deviationen”). “Und von nun an” – resümiert Montessori – “war es mein Bestreben, Übungsgegenstände zu suchen, die die Konzentration ermöglichen; und ferner studierte ich gewissenhaft, welche Umgebung die günstigsten äußeren Bedingungen für diese Konzentration bietet. So begann sich meine Methode aufzubauen.”

Entscheidend für die Entwicklung von Montessoris Pädagogik und Lehrmaterialien ist die Beobachtung, dass eine der wichtigsten sensiblen Phasen jedes Kindes jene der “Verfeinerung der Sinne” ist. Jedes Kind hat einen natürlichen Drang alles zu berühren, zu riechen, zu schmecken. Montessori leitet aus dieser Beobachtung ihre Erkenntnis ab, dass der Zugang zum kindlichen Denken nicht auf abstraktem Wege, sondern grundsätzlich über die Sinne des Kindes erfolgt. Greifen und Be-greifen werden zur Einheit im Lernprozess. In dieser Sichtweise zeigt sich Montessori stark beeinflusst von den Arbeiten Jean Itards und Edouard Séguins.Des Weiteren sind in vielen wesentlichen Aspekten Parallelen zur Kentenich-Pädagogik zu entdecken, vor allem der Satz “Freiheit so viel wie möglich, Grenzen so viel wie nötig” findet sich bei Maria Montessori und Josef Kentenich. Die beiden Methoden sind aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne gegenseitige Kenntnis und Beeinflussung entstanden.

Aufbauend auf dieser Erkenntnis entwickelt Montessori ihre Lehrmaterialien, die grundsätzlich immer die kindlichen Sinne ansprechen. Ihr mathematisches Material beispielsweise erlaubt dem Kind, durch Berühren und Halten einer Perle sowie eines Blocks aus 1000 Perlen einen sinnlichen Eindruck der mathematischen Größen 1 oder 1000 zu bekommen, lange bevor das Kind ein abstraktes Verständnis für Zahlen dieser Größe entwickelt.

Die dritte Phase, das Alter von 12 bis 18, unterscheidet sich nach Montessoris “Erdkinderplan” stark von den vorhergehenden. Einen Überblick gibt Meisterjahn-Knebel: Das Kind erfährt im Alter zwischen 12 und 18 eine radikale Umwandlung. Die vielen physischen und psychischen Veränderungen in diesem Alter führen zu einer tiefen Verunsicherung. Gleichzeitig beginnen Jugendliche, sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen und wollen von dieser anerkannt werden. Nach Montessori stehen nun folgende Bedürfnisse des Jugendlichen im Vordergrund und sollen in der Schule erfüllt werden: Die Jugendlichen müssen sich beschützt fühlen können und sie müssen lernen, die Rolle des Menschen in der Gesellschaft zu begreifen. Wichtig ist auch die Stärkung des Selbstvertrauens und die Entwicklung eines Gefühls für die eigene Würde. Montessori spricht von dieser Lebensphase auch als Epoche der sozialen Sensibilität, die Jugendlichen möchten in sozialen Beziehungen leben, soziale Verantwortung übernehmen und als unabhängige Personen ernst genommen werden. Montessori schlug deshalb vor, Jugendlichen vorbereitete Umgebungen auf dem Lande zu schaffen, in denen sie das unabhängige Leben in Gemeinschaft erfahren können. Dort sollen sie sowohl intellektuell lernen (auf einer abstrakteren Basis als in den vorhergehenden Lebensphasen), als auch praktisch arbeiten und die Erfahrung machen, Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen